Nicht alles, was an Verführungen zur Spielsucht da so lauert, liegt im digitalen Cyberspace, bei online-poker und dergleichen. Es gibt sie noch, die geldfressenden Klimperkisten, immer raffinierter aufgemotzt. 220 000 sind es bereits und ihre Zahl wächst epidemisch. Hören Sie dazu Stefan Welzk:
Der Umsatz von Lotterien, Lotto und von Casinos schrumpft. Doch die Daddel-Automaten haben binnen vier Jahren um fast die Hälfte mehr kassieren können. Auf über 200 000 schätzen Experten die Zahl krankhafter Zocker, Menschen, deren Leben von der Spielsucht beherrscht und ruiniert wird. Dieser Boom kommt nicht von ungefähr. Er verdankt sich einem trickreichen Lobbyismus, so aufdringlich und penetrant wie wohl in keinem anderen Gewerbe. (Krösus und Top-Lobbyist der Spielautomatenbranche ist dabei Paul Gauselmann im Ostwestfälischen (Espelkamp), einer der letzten Patriarchen des deutschen Wirtschaftswunders.)
Glücksspiel ist in Deutschland verboten oder Staatsmonopol, zur Kontrolle von Suchtgefahren, wie man sagt. Doch die Geldspielgeräte gelten entgegen aller Evidenz dem Auge des Gesetzes nicht als Glücksspiel- sondern als Unterhaltungsautomaten. (Angeblich überwiege der Unterhaltungseffekt). Dabei hängen 80 Prozent der krankhaft Spielsüchtigen an eben diesen Klimperkisten.
Aller paar Jahre wird die Spielverordnung nachverhandelt. In zähem Fingerhakeln geht es dabei jeweils um Mindestabstand zwischen den Geräten, um deren Höchstzahl in Kneipen und Spielhallen, um Höchstgrenzen für Gewinne und Verluste, um Sichtblenden, Warnhinweise, Zwangspausen und um die Mindestdauer eines Spieles. Die ist Schritt für Schritt verkürzt worden, von 15 über 12 auf heute nur noch 5 Sekunden. Das steigert Umsatz und Suchtwirkung. Diese Regulierungsversuche haben etwas geradezu Rührendes. Denn der großen Mehrheit des Personals in Spielhallen und Kneipen sind die Vorschriften überhaupt nicht bekannt.
Doch jetzt jagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, Schockwellen durch dieses verwöhnte Gewerbe. Sie verlangt ein Verbot der Daddelkisten in Tankstellen und in Kneipen, wo wegen des Alkohols allzu oft die Selbstkontrolle schwindet. ( 70 000 Geräte sind betroffen.) Und sie fordert die Möglichkeit bundesweiter Sperren für suchtkranke Spieler. Die couragierte Freidemokratin wurde prompt von ihren Partei-Oberen zusammengefaltet. Wirtschaftsminister Brüderle ließ wissen, er halte nichts von einem Verbot in Gaststätten. Und laut Gesundheitsminister Rösler ist dieser Vorstoß nicht mit ihm abgestimmt. Doch Frau Dyckmans bleibt störrisch und sie hat recht. Diese Branche macht krank und sie lebt von der Krankheit derer, die sie krank macht. Über die Hälfte ihres Umsatzes verdankt sie pathologischen Zockern. (Die sozialen Folgekosten und die Therapien trägt die Gemeinschaft.)
Zu einer schlimmen Volkskrankheit hat sich Parkinson ausgewachsen. Und bestimmte Parkinson-Medikamente stehen unter starkem Verdacht, Spielsucht auszulösen. Menschen, die zuvor nie gezockt haben, verlieren binnen kurzem ihre gesamten Altersersparnisse vor den Schlitzen der Geldspielautomaten. So ist es ein schlechter Witz, dass ein Spielsüchtiger sich in einer wachen Stunde bundesweit für alle Casinos dauerhaft sperren lassen kann, aber für keine der Spielhallen, in denen sich die Meisten ruinieren. Ein solches Sperrsystem ist technisch ein Klacks und ein Mindestgebot verantwortlicher Politik. Besser noch wäre es, man würde hier der Schweiz folgen. Dort herrscht landesweit ein Totalverbot für Geldspielgeräte. Doch sich soweit aus dem Fenster zu lehnen, das wäre für eine Freidemokratin politisches Harakiri.
Kai Sender meint
Dass bestimmte Parkinson-Medikamente im Verdacht stehen, ist mir neu. Das überrascht mich sehr. Aber man lernt ja nie aus.
Ich denke auch, dass es für einen Spielsüchtigen möglich sein sollte, sich bundesweit in allen Spielhallen sperren zu lassen. Doch bis dieses Ziel erreicht ist, ist es wohl noch ein weiter Weg.