Um üppige 1,1 Prozent sollen bekanntlich die Renten in diesem Jahr steigen. Angesichts von Inflation und einem Aufschlag bei de Pflegeversicherung kommen die Rentner dann mit einem realen Minus von zwei Prozent davon. Auf diese Weise will der Sozialminister -Zitat – die Rentner von der guten Wirtschaftslage profitieren lassen. Doch diese Großzügigkeit hat einen Sturm der Empörung entfacht. Selbst (Reiner Wend), der wirtschaftspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag erregt sich über diese – Zitat – „Entscheidung auf Kosten der Jüngeren.“ Denn für dieses Rentenplus von einem Prozent muss der Mechanismus der unter Kanzler Schröder reformierten Rentenformel für zwei Jahre ausgesetzt werden. Das ist die Angriffsfläche. Die Glaubwürdigkeit der Regierung ginge verloren.
Werfen wir deshalb einen Blick auf die Glaubwürdigkeit der Kritiker. Da erklärt Professor ((Reinhold)) Schnabel von der arbeitgeberfinanzierten „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ im Deutschlandfunk: “ Die Rentner könne hier nicht besser behandelt werden … als die Erwerbstätigen, für die es ja auch lange Zeit keine Erhöhungen gab.“ Doch die Tariflöhne hatten in den letzten vier Jahren immerhin noch ein nominales Plus von 5 Prozent, die Rentner von insgesamt einem halben Prozent. Nach Inflation war das (an der Lohnfront ein Minus von zweieinhalb, bei den Rentnern) ein Minus von sieben Prozent. Eine Besserbehandlung ist da nicht erkennbar. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt lässt kurz und bündig wissen: „Die deutsche Wirtschaft lehnt das geplante Wahlgeschenk an die Rentner ab.“ 38 Prozent Gewinnzuwachs binnen vier Jahren – wie kaum je zuvor schwimmen die Unternehmen im Geld. Dennoch erklären sie das eine Prozent für die Rentner als unzumutbar. Die „dringend benötigte Beitragssenkung“ würde damit verhindert. Hier kommen wir zum Kern des Konfliktes. Dabei sind schon heute die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung fast überall in Europa deutlich höher als bei uns. Und noch nie in der deutschen Nachkriegszeit ist der Gewinnanteil am Volkseinkommen derart explodiert wie in den letzten vier Jahren und der Lohnanteil derart abgestürzt. Hätten die Löhne zugelegt wie ringsum in Europa, so wären auch die Renten real kaum gefallen.
Nicht um einen Konflikt zwischen Jung und Alt geht es hier, sondern um einen Konflikt zwischen Arbeit und Kapital. Es ist ein propagandistisches Bravourstück, den Kaufkraftverfall von Renten und Löhnen als Generationskonflikt gegeneinander auszuspielen und damit vom Skandal der deutschen Einkommensverteilung abzulenken. Doch auch die versierteste Medienkampagne stößt bisweilen an Grenzen. Nach jüngstem Politbarometer beurteilen nur sieben Prozent der Bürger diesen Rentenzuwachs als zu hoch. Und über 60 Prozent sehen keinen Konflikt zwischen Jung und Alt, wohl aber Vierfünftel der Bevölkerung einen Konflikt zwischen Arm und Reich.
Doch warum sind die Renten selbst noch hinter den Löhnen so stark zurückgefallen?. Zum ersten sinken alle Renten und Rentenansprüche infolge der Riesterreform. Den Arbeitgebern spart das fast vier Milliarden im Jahr.
Stärker noch schlägt eine andere Seltsamkeit in der Rentenformel durch. Die jährliche Rentenanpassung wird bestimmt aus dem Zuwachs oder dem Absinken der Lohnsumme pro Arbeitnehmer im Vorjahr. Doch in diese Berechnung gehen alle ein, egal, wie viel sie arbeiten, auch Teilzeitkräfte und sogar die Minijobber mit höchstens 400 Euro pro Monat. EIer kommen wir zuine Million neuer Minijobber senkt jedermanns Rente um rund drei Prozent. Es spricht jedem Rechtsverständnis Hohn, dass jemandes Rente, der sein Leben lang Vollzeit gearbeitet hat, gekürzt wird, nur weil Minijobber und immerhin doch wertschöpfend in den Arbeitsmarkt eintreten, die für sich selbst nur mikroskopische Rentenansprüche erwerben. Der Trend zur Teilzeitarbeit schreitet fort. Das kann die Renten selbst dann senken, wenn die Stundenlöhne steigen. Diese Rentenreform gehört nicht nur für zwei Jahre eingeschränkt, sondern dauerhaft reformiert. Sie zerstört unser Sozialsystem. Denn wer zahlt noch gutwillig Beiträge, wenn er seine eigene Altersrente auf das Sozialhilfeniveau hin sinken sieht!
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