Die Polemik kocht hoch, Tag für Tag, seit die Rentengarantie im Gesetz steht. Unbezahlbar das alles! Die Gekniffenen von Morgen sind die heute 25- bis 35jährigen, so empört sich Peer Steinbrück. Von einem „Krieg der Generationen“ ist schon die Rede. Die Gegenfront formiert sich. Wird die Rentensicherungsklausel nach der Wahl gar wieder einkassiert? Von einer neuen, schwarz-gelben Koalition, mit ein paar Dissidenten aus der SPD? Erneut geistern die bedrohlichen Bevölkerungspyramiden durch die Medien. Beängstigend wächst die Last der Alten. Doch bisweilen hilft ein nüchterner Blick auf die Fakten.
Was der Sturm der Globalisierung an Wohlstandsresten belässt, zerbröselt offenbar im Zangengriff von hedonistischer Zeugungsverweigerung und sich hochschraubender Lebenserwartung. Gegenwärtig stehen einem Menschen im Rentenalter drei im Arbeitsalter gegenüber. Im Jahr 2030 dagegen werden es nur noch zwei sein – eine Horrorvision, so scheint es. Doch heute schon haben rund 27 Millionen Arbeitnehmer für über 20 Millionen Rentner aufzukommen. Das ist fast ein Verhältnis von drei zu vier. Und es wird, wenn auch nicht mühelos, geschultert. Hinter diesem offenkundigen Missverhältnis steht die hohe Arbeitslosigkeit. Sie hat Viele in die Frühverrentung gedrückt und eben auch die Zahl der Beitragszahler abgesenkt. Zugleich zahlen diese 27 Millionen noch für fast 4 Millionen Arbeitslose. Bis 2030 wird die Arbeitslosigkeit stark absinken. Auch die skeptischen Prognosen rechnen dann mit höchstens zwei Millionen Arbeitslosen.
Im Klartext: Die hohe Arbeitslosigkeit und die von ihr mitverursachte Frühverrentung sind heute eine mindestens so schwere Last wie es die erwartete demografische Alterung sein wird. Zugleich wächst aber auch die Produktivität. Beide, sowohl das absehbare Absinken der Arbeitslosigkeit und der auch künftig zu erwartende Anstieg der Produktivität sind je für sich allein schon hinreichend, um die demografische Belastung abzufangen.
Freilich müssen nicht nur die Alten ernährt werden, sondern auch die Kinder und die Jugendlichen. Entscheidend ist deshalb die Zahl der Jungen und der Alten zur Zahl der Menschen im Arbeitsalter. Dieses Verhältnis wird bis 2030 wohl auf 80 zu 100 ansteigen. Doch schon 1970, im späten Babyboom, kamen 78 Junge und Alte auf hundert Menschen im Arbeitsalter. Niemand hat das dereinst als Katastrophe empfunden. Dabei war die Produktivität damals noch sehr viel niedriger als heute. Von einer künftig kaum bewältigbaren demografischen Belastung kann bei nüchternem Blick keine Rede sein.
Doch was ist das Motiv hinter den demografischen Horrorkampagnen? Vor zwei Jahrzehnten, im Herbst 1989, hatte man sich in Bonn auf eine Kaskade einschneidender Rentenkürzungen geeinigt. Alle Parteien waren damals zufrieden, damit die Beiträge bis zum Jahr 2030 auf 28 Prozent des Bruttolohnes begrenzen zu können. Acht Jahre später durften es nur noch 24 Prozent sein und heute 22 Prozent. Die demografischen Prognosen haben sich in diesen zwei Jahrzehnten kaum geändert. Abgesenkt wurden dagegen die Kriterien, was man den Arbeitgebern an Sozialaufwendungen zumuten will. Dabei sind diese heißumstrittenen Lohnnebenkosten bei uns keineswegs schmerzhaft hoch. Ihr Anteil an den Kosten der Arbeit ist niedriger als zum Beispiel in Frankreich, Belgien, Österreich, Griechenland, Spanien, Ungarn, Italien, Schweden, Tschechien, Holland und sogar als in Rumänien und etwa gleichauf mit denen in den USA und England. Schon heute haben wir europaweit einen der niedrigsten Arbeitgeberbeiträge zu den Renten. Unterboten werden wir da nur noch von Zypern, Slowenien und Luxemburg. Das sind Zahlen aus dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Und schwache Konkurrenzfähigkeit wird dem Exportweltmeister Deutschland heute niemand mehr unterstellen wollen. Hätten im übrigen die Löhne in Deutschland in den letzten Jahren genauso zugelegt wie ringsum in Europa, so wäre nicht nur eine nominale, sondern sogar eine inflationsfeste Rentengarantie bezahlbar. Nicht um einen Generationskonflikt geht es hier, sondern um einen Konflikt zwischen Arbeit und Kapital. Es ist ein propagandistisches Bravourstück, den Kaufkraftverfall von Löhnen und Renten seit der Jahrtausendwende in einen Konflikt zwischen Jung und Alt zu verwandeln. Ein Rentner bekommt derzeit übrigens im Durchschnitt rund 800 Euro ausgezahlt. Ist das wirklich zuviel?
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