Die Altersarmut wird drastisch anwachsen. Das ist eine Konsequenz der Rentenreformen. Deshalb hat Ministerpräsident Jürgen Rüttgers kürzlich gefordert, eine Mindestrente deutlich oberhalb der sozialen Grundsicherung“ aus der Staatskasse zu garantieren, zumindest für Arbeitnehmer mit 35 Beitragsjahren. Heute wurde im Bundespresseamt in Berlin ein anderer Weg zur Abmilderung der absehbaren Altersarmut vorgestellt. Dieser Weg ist sozial gerecht und kostet Staat und Steuerzahlern keinen Euro. Denn derzeit zahlen
Müllmänner und Verkäuferinnen für die Renten der Gutbetuchten und das nicht knapp und Jahr für Jahr. Dieser Dauerskandal hat seine Ursache in der unterschiedlichen Lebenserwartung von Armen und Besserverdienenden. Das lässt sich auf die einfache Formel bringen: Je höher das Einkommen, desto länger lebt man. Ein Akademiker lebt und wohnt gesünder und der Job eines Bankkaufmanns schlägt weniger auf Knochen und Organe als der eines Bauarbeiters. So sterben die Männer in Berlin-Kreuzberg im Schnitt sechseinhalb Jahre früher als Männer im hochfeinen Stadtteil Zehlendorf. Wer nur den halben Durchschnittslohn verdient, kann laut Sterbestatistik auf sechs Rentenjahre hoffen, jemand mit dem Doppelten des Durchschnittslohns dagegen auf 14 Jahre. Doch die Monatsrente bemisst sich aus dem Einkommen pro Jahr und der Zahl der Arbeitsjahre. Wie viele Jahre jemand im Ruhestand voraussichtlich vor sich hat, das bleibt völlig außen vor. Deshalb bekommen die mit den dürftigen Einkommen nicht mal ihre eingezahlten Beiträge im Alter zurück. Denn davon fließt ein Großteil zu den Gutbetuchten. Dieser Transfer von arm zu reich summiert sich bei einem Toprentner auf über 100 000 €. Damit wird der Sozialstaatsgedanke schlicht pervertiert (( Denn es sollten doch die Starken für die Schwächeren einstehen und nicht umgekehrt die Schwächeren für die Starken löhnen. (Unsere Rentenversicherung geht damit zu Lasten derjenigen, zu deren Schutz sie einst gegründet worden ist)). Zudem verfügen die Hochentlohnten im Alter meist noch über Immobilien, Vermögen und üppige Zusatzrenten.
: In der Kaskade all der Rentenkürzungen musste stets die wachsende Lebenserwartung als Begründung herhalten und ein vorgeblicher Konflikt zwischen den Generationen. Die Diskrepanzen der Lebenserwartung zwischen arm und reich blieben ausgeklammert.
Vor drei Jahren hat der Sozialexperte und Bundestagsabgeordnete Professor Lauterbach nachgewiesen, dass die Lebenserwartung in der Tat mit dem Einkommen steigt und deshalb bei den Renten eine massive Umverteilung von unten nach oben stattfindet. Er wurde rundum abgewatscht. Zwar schrieb die „Bildzeitung“ von einer „Schockstudie“. Doch Franz Müntefering, damals Sozialminister, erklärte diese Einsichten als „nicht nachvollziehbar“. Professor Rürup, der Chefberater der Regierung befand, dann müsse man bitte schön auch in der Arbeitslosenversicherung berücksichtigen, dass Hochbezahlte nur selten arbeitslos werden. Von Seiten der Rentenversicherungsbürokratie und Politik hieß es, man könne die unterschiedliche Lebenserwartung von Arm und Reich bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigen.
Doch man kann das sehr wohl. Heute hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin eine neue Formel zur Rentenberechnung vorgestellt, mit der dieser Dauerskandal gestoppt werden könnte. Jede Einkommensschicht kommt dabei für sich selber auf. Ihre Rentenbeiträge plus Zinsen werden auf die in dieser Schicht zu erwartenden Rentenjahre verteilt. Die Renten der Reichen speisen sich dann nur noch aus den Beiträgen der Reichen und die der Ärmeren aus den Beiträgen der Ärmeren. Eine Umverteilung zwischen den Schichten findet nicht mehr statt. Das Resultat ist erstaunlich. Die Toprenten sinken um ein Viertel, von 2200 auf 1600 €. Für diejenigen dagegen , die Zeit ihres Lebens mit etwas 830 Euro Gehalt auskommen müssen, steigen die Renten um rund die Hälfte. . Die mit einem Jahresgehalt von 20 000 € bekommen im Alter dann ein Drittel mehr. Bis zu einem Monatsgehalt von 3000 € würden die Menschen von dieser neuen Rentenformel profitieren. Mit ihr wird nicht etwa eine neue Umverteilung verlangt, sondern im Gegenteil eine heute gegebene grob unsoziale Umverteilung im Rentensystem gestoppt.
Übrigens handelt es sich hier um einen spezifisch deutschen Sozialskandal. Weder in den USA noch in der Schweiz gibt es im Rentensystem eine Umverteilung nach oben. Dort werden statt dessen – getreu dem Sozialstaatsgedanken – die Einkommensschwachen begünstigt.
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