Momentan läuft die zweite Föderalismusreform durch die Ausschüsse des Bundestages. Noch vor der Wahl im September soll sie verabschiedet sein und im Grundgesetz stehen. Ihr wohl folgenschwerstes und heftig umstrittenes Element ist ein Verschuldungsverbot für die Öffentlichen Hände.
Keinerlei neue Schulden dürfen die deutschen Länder künftig noch machen, schlicht Null. Und der Bund pro Jahr nicht mehr als dreieinhalb Promille vom Sozialprodukt. Dieses Verbot kommt ins Grundgesetz. Das ist schon ausverhandelt zwischen Sozis und Union. Ist das nicht eine wunderbare Nachricht? Das zumindest finden laut Umfragen Dreiviertel aller Deutschen. Manch einer fürchtet angesichts der Multimilliarden an Krisenkosten ja schon den Staatsbankrott. Doch ist es wirklich sinnvoll, dass angesichts einer aus dem Ruder gelaufenen Globalisierung der Staat sich selbst noch Fesseln anlegt? Lähmt er ich damit selbst oder schafft er sich künftigen Freiraum? Sichert oder zerstört ein solches Verbot unsere Zukunftschancen?
Die Banken haben mit den ihnen anvertrauten Ersparnissen Roulette gespielt, mangels staatlicher Kontrolle. Doch Zweck der Banken ist es, Ersparnisse einzusammeln und sie für nützliche Investitionen zur Verfügung zu stellen. Jede vitale Firma arbeitet mit Krediten. Warum nicht auch der Staat? Das sind Fremdmittel wie in jedem Unternehmen, so hatte Helmut Schmidt einst die Kritiker belehrt. Deutschlands einzige Chancen sind Qualität und high tech, leistungsfähige Universitäten und Forschung von Weltrang. Doch der Anteil der Bildung am Sozialprodukt ist hierzulande kläglich. Wovon profitiert die nächste Generation mehr? Von Kitas mit gut ausgebildeten Erzieherinnen, von einer geburtenfreundlichen Politik, zumutbar ausgestatteten Universitäten und einer modernen Infrastruktur oder von einem schuldenfreien Staat? Und gesetzt, die öffentlichen Hände würden in der Tat bald auf Kredite verzichten – wo sollen die Notgroschen fürs Alter angelegt werden, wenn es die hochverlässlichen Staatsanleihen nicht mehr gibt? An den Börsen vielleicht oder auf den internationalen Kapitalmärkten ?
Ab 2011 soll der Bund binnen 5 Jahren sein Defizit in gleichen Schritten auf Null bringen. Die Länder bekommen dafür 10 Jahre und die 5 ärmsten Länder Finanzhilfen. Doch diese Hilfe wird ersatzlos gestrichen für jedes Jahr, in dem das Land sein Sparziel nicht schafft. Je ärmer die Länder, desto mehr müssen sie sparen. (So hat Bayern pro Kopf Schulden von 1800 €, Bremen dagegen von 23000. Der Stadtstaat zahlt allein an Zinsen pro Kopf 1000 € im Jahr.) Zudem müssen die Länder oft kostspielige Gesetze des Bundes umsetzen. Doch sie stehen da vor einem Dilemma. Eigene Steuern dürfen sie, mit Ausnahme der Grunderwerbssteuer, nicht erheben noch künftig sich Geld borgen.
Ist es seriös, jetzt, bevor die finalen Kosten der Krise absehbar sind, ein ab 2011 stufenweise wirksames Verschuldungsverbot im Grundgesetz zu verankern? Real, nach Inflation und Wachstum, wird damit Bund und Ländern ein Absenken der Schuldenquote von rund vier Prozent pro Jahr abverlangt. Deshalb will man denn auch eine Reihe von Ausnahmen zulassen, im Fall von Naturkatastrophen wie Hochwasser, Dürre und Epidemien. Und auch bei Wirtschaftskrisen extremen Ausmaßes – Zitat aus der Gesetzesbegründung – „aufgrund eines exogenen Schocks wie beispielsweise der aktuellen Finanzkrise“. Die Banken wird der Staat demnach immer wieder retten dürfen. Denn keines der jüngsten Konjunktur- und Rettungspakete wäre bei einem Verschuldungsverbot zulässig. Nur wenn es danach klemmt beim Geld zum Abmildern der sozialen Spätfolgen der Krise, dann gilt der Schuldenstopp.
Und wie steht es um das von Frau Merkel im richtigen Augenblick gegebene Garantieversprechen für alle Spareinlagen? Kann das bei einem Verschuldungsverbot fortbestehen? Bedrohlich hoch sind die deutschen Staatsschulden im internationalen Vergleich ohnehin nicht. Auch die Haushaltsmoral der Politik liegt keineswegs danieder. Die öffentlichen Kassen waren im letzten Jahr fast ausgeglichen. Immerhin zehn Bundesländer haben sich Überschüsse abgespart. Natürlich wäre es besser, wenn der Staat seine Leistungen statt mit neuen Schulden über Steuern finanziert. Denn – entgegen aller Polemik – ist die Steuerbelastung in Deutschland keineswegs hoch. Sie ist eine der niedrigsten in Europa. Unterboten werden wir da in der EU nur von der Slowakei und Polen Nur liegt diese Steuerlast auf den falschen Schultern. Das dokumentiert eine heute vorgelegte Studie der OECD, der Organisation der Industriestaaten. Vermögenssteuer und Börsenumsatzsteuer abgeschafft, Erbschaftssteuer auf große Vermögen minimal, Spitzensteuersatz und Unternehmenssteuern abgesenkt, Mehrwertsteuern erhöht! Eher an dieser Front wäre Handlungsbedarf. Doch auch wenn es weder notwendig ist noch nützlich – im Populismus des Wahlkampfes kommt ein Verschuldungsverbot für den Staat allemal gut an. Übrigens hat sich auch die Schweiz unlängst an einem Verbot öffentlicher Verschuldung versucht und dieses einsichtsvoll nach einem Jahr wieder kassiert.
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