Drei schwarz-gelbe Eckpfeiler bestimmen künftig das Gesundheitwesen in Deutschland. Zum ersten wird es, Zitat, „langfristig…überführt in eine Ordnung… mit einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen …“ Zum zweiten wird der Kostenanteil der Arbeitgeber eingefroren. Und zum dritten wird der Wechsel in die Privatkassen erleichtert. So steht es im Koalitionsvertrag.Alle gesetzlich Versicherten einer AOK zahlen dann also das Gleiche. Zunächst gilt das nur für den Zuwachs der Kosten. Insofern geht es hier um eine vorerst noch kleine Kopfpauschale. Doch es ist der Einstieg in ein fundamental anderes soziales Wertesystem. Wer dürftig entlohnt wird, der lebt und wohnt halt auch bescheiden. Doch seit Bismarck war es Konsens, dass die Versorgung bei Krankheit kein Luxusgut sein soll, keine Ware wie andere. Deshalb zahlt bisher jeder dafür mit dem gleichen Anteil seines Einkommens und nicht mit der gleichen Summe. Diese ethisch wohlbegründete Praxis wird jetzt ausgeschlichen. Ultraliberale Experten nennen das den „Grundsatz der Äquivalenz von Beitrag und Leistung“ und der steht auch im Koalitionsvertrag. Damit zahlen die mit den hohen Einkommen weniger als bisher und können sich dann Zusatzversicherungen leisten. Die weiter unten kommen mit steigenden Beiträgen dafür auf. Deren Zusatzlasten, so liest man, werden „sozial ausgeglichen“. Gibt es diesen sozialen Ausgleich für jeden, der künftig mehr berappen muss? Oder nur für Hartz-4-Empfänger oder für wen und wie weit? Das erfährt man nicht, noch auch, woher das Geld kommen soll für diese Zusatzentlastung der Gutbetuchten.
Zum zweiten dringt Schwarz-Gelb auf, Zitat, „eine weitgehende Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten.“ Deshalb wird der Arbeitgeberanteil eingefroren. Die Mär von den unzumutbaren Lohnzusatzkosten in Deutschland ist so oft heruntergebetet worden, dass sie fast jedermann glaubt. Termingerecht zum Fingerhakeln um den Koalitionsvertrag hat der Arbeitgeberverband mitleidsvoll geklagt, Zitat: „In kaum einem anderen Land bleibt den Arbeitnehmern so wenig von ihrem …Einkommen wie in Deutschland.“ Dafür seien vor allem die hohen Sozialbeiträge verantwortlich. Von denen zahlen bekanntlich die Arbeitgeber derzeit noch immer fast die Hälfte. Just am gleichen Tag freilich hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln seine neuen Zahlen zuxs den Sozialabgaben in Europa vorgelegt. Bei ihrem Anteil am Bruttolohn liegen wir in der EU auf dem 16. Platz und damit weit unten, unterboten nur noch von Polen und ein paar Kleinstaaten wie Zypern, Malta, Lettland und Luxemburg. (Auch haben sich in keinem Land Europas die Löhne dürftiger entwickelt als bei uns, sowohl seit der Wende wie seit der Jahrtausendwende; dies nur am Rande.) Dass Deutschlands Arbeitgeber künftig von jedem Kostenzuwachs im Krankenwesen unbehelligt bleiben, ist also keineswegs ein Gebot internationaler Konkurrenzfähigkeit, sondern gleichfalls ein Paradigmenwechsel weg von sozialer Fairness.
Zum dritten wird jetzt der Wechsel zu den Privatkassen erleichtert. Wer ein Jahr über der Beitragsbemessungsgrenze verdient, darf schon rüber. Die Privatkassen sind eine Solidargemeinschaft der Gutbetuchten und relativ Gesunden unter sich. Ein Bankkaufmann wird vom Job her eher seltener krank als ein Müllmann. Mit jedem Hochentlohnten, der zu den Privatkassen wechselt, wächst die Geldnot der AOK, wächst der Druck hin auf steigende Beiträge. Insofern sind die Privatkassen das Krebsgeschwür am deutschen Gesundheitswesen und ein Unicum in der EU. Laut schwarz-gelbem Regierungsvertrag jedoch sind sie, Zitat, „konstitutives Element in einem freiheitlichen Gesundheitssystem.“ Die Handschrift der Versicherungslobby ist unverkennbar. Doch die Details sind noch nicht ausgehandelt. Noch lohnt es sich, Sturm zu laufen.
(Nur private Zusatzversicherungen sind in anderen Ländern üblich, mit Ausnahme der Niederlande. Doch dort sind die Privatkassen in den morbiditätsbedingten Risikoastrukturausgleich einbezogen. Das ist der entscheidende Unterschied zu Deutschland. Hier gibt es diesen Auslgleich nur zwischen den gesetzlichen Kassen. Die privaten sind draußen vor. D.h., sie müssen nichts an die anderen Kassen abführen dafür, dass sie die Kundschaft mit viel geringerem Krankenkostendurchschnittswerten haben.)
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