Stefan Welzk
Einst haben Deutschlands Universitäten weltweit Maßstäbe gesetzt. Heute ist unsere Zukunft bedroht von einem wachsenden Defizit an Hochqualifizierten und von einem rapiden Qualitätsverfall des Studiums. Deshalb der Bildungsgipfel, zu dem Frau Merkel für den nächsten Mittwoch nach Dresden geladen hat. In Südkorea absolvieren pro Jahrgang drei mal so viele Männer und vier mal so viele Frauen ein Studium der Natur- und Ingenieurwissenschaften wie hierzulande. Und beim Anteil der jungen Menschen, die in eine Hochschul-Ausbildung starten, werden wir in der westlichen Welt nur von Belgien und Mexiko unterboten. Was sind die Ursachen für dieses Zurückfallen Deutschlands?
Drei hochangesehene Universitäten besitzt Berlin. Die Freie Universität wurde im Exzellenz-Wettbewerb des Bundes zur Elite-Universität gekürt. Und die Humboldt-Universität bietet mit ihrem hochmodernen Campus in Adlershof das Paradigma einer geglückten Symbiose von Forschung und Wirtschaft. Über 30 000 Studierende kommen von außerhalb, von München bis Flensburg. Doch dem Stadtstaat stehen die Schulden bis zum Hals. Und er bekommt für diese Leistung, für seinen Absolventenexport, nichts als einen Gotteslohn. Ähnlich sieht es aus in Sachsen, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfahlen. Bayern und Baden-Württemberg dagegen produzieren Absolventen weit unter ihrem Bedarf. Sie nassauern vom Uni-Output der anderen. Auf diese Weise subventionieren arme Bundesländer die reichen. Berlin gibt einen dreimal so großen Teil seines Sozialproduktes für die Hochschulen aus wie Bayern. Und so geraten Länder wie Sachsen und Berlin unter den Druck ihrer Finanzminister und- Senatoren, massiv Studienplätze zu kappen. Dabei ist das Gegenteil vonnöten. Deutschland braucht dringend mehr Studienplätze.
Vorgeschlagen wird von Vielen und seit langem ein Länderfinanzausgleich bei den Bildungskosten, wie in der Schweiz. Dort zahlen gemäß einem Staatsvertrag die Kantone einander jeweils für ihre Abiturienten die vollen Studienkosten. Doch in Deutschland ist dergleichen nur einstimmig durchsetzbar, im Konsens aller 16 Länder. Und Bayern blockt ab. Bildung ist bei uns Ländersache und das seit der Föderalismusreform in fast fundamentalistischer Härte. Im Grunde darf der Bund hier nicht einmal zweckgebunden Geld verschenken. Dabei ist selbst eine Kostenverteilung nach Herkunft der Studenten noch nicht fair. Zahlen müssten die Länder, in denen die Akademiker Arbeit finden. Sie sind die Profiteure dieser Ausbildung. Denn nur dank des Imports von Absolventen von außerhalb Bayerns kann der Freistaat seinen Status als High-Tech-Region halten. Hier besteht ein folgenschwerer Strukturfehler unseres bundesstaatlichen Systems. Keine Nation kann sich gedeihlich entwickeln und keine Wirtschaft florieren, wenn das Einzelinteresse von Provinzen konträr zum Gesamtinteresse steht und jede Provinz ein Vetorecht hat.
Die Kanzlerin hat die „Bildungsrepublik Deutschland“ ausgerufen – ein Ziel, dem niemand zu widersprechen wagt. Doch bislang bleibt jeder Aufbruch von Egoismen blockiert.
Eine Chance, diese Lähmung aufzulösen, bietet die Idee eines Bildungsgutscheines für jeden Studenten, bezahlt aus einem Fond von Bund und Ländern. Den Gutschein bekommt die gewählte Hochschule. Damit folgt das Geld den Studierenden. Keine Universität müsste begehrte Studienplätze aus Geldnot streichen. Und die Hochschulen ständen unter Konkurrenzdruck, zumutbare Studienbedingungen anzubieten. Sofern sich ein Bundesland hier verweigert, so manövriert es sich in ein peinliches Abseits. Seine Abiturienten bekämen keine Gutscheine und könnten nur in der Heimatprovinz studieren. Kein Bundesland würde das lange durchhalten. Wäre das nicht ein Ausweg aus der föderalen Bildungsblockade?
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