Philipp Missfelder, Nachwuchsstar der CDU, dringt erneut auf eine Rente erst ab 70. Doch zugleich senkt Schwarz-Gelb jetzt die Rentenbeiträge . SPD-Chef Gabriel „erwägt“, im Fall eines Wahlsieges den Fahrplan zur Rente 67 zu stoppen. Und (die Sozialministerin) Frau von der Leyen will mickrige Renten nach 35 Arbeitsjahren aufstocken. Dafür ist sie von den eigenen Leuten abgewatscht worden. Doch immerhin hat sie die kommende Altersarmut wieder ins Schlaglicht gerückt.
Hören Sie die Zweifel von Stefan Welzk am Menetekel einer vorprogrammierten Rentenkatastrophe:
Zunächst die gute Nachricht: Aus demografischen Gründen droht uns keineswegs die große Altersarmut. Wohl wird um 2030 zwei Bürgern im Arbeitsalter einer im heutigen Rentenalter gegenüberstehen. Das zumindest sind die amtlichen Prognosen. Und weil nicht alle der Jüngeren im Beruf sind, werden dann drei Arbeitende für zwei Ältere aufzukommen haben – ein Horrorszenario, so scheint es. Doch heute schon zählen wir bei knapp 29 Millionen Sozialversicherten im Job etwa 21 Millionen Rentner. Das ist ein Verhältnis von fast 4 zu 3 und es wird, wenngleich nicht ohne Mühe, geschultert. Dahinter steht die noch immer hohe Arbeitslosigkeit und die von ihr mitverursachte Frühverrentung. Diese Arbeitslosigkeit ist eine kaum minder große Belastung wie später die Demografie. Doch sie wird nach fast allen Prognosen stark absinken.
Zugleich sind nicht nur die Älteren zu versorgen, sondern auch Kinder und Jugendliche. (( Sie binden Mütter ans Haus und sie müssen unterrichtet werden.)) Entscheidend ist deshalb das Verhältnis der Alten und der Jungen zur Zahl der Menschen im Arbeitsalter. Das wird beim Blick auf künftige Belastungen meist ausgeblendet. Dieser Alters- und Jugendquotient steigt bis 2030, so glaubt man, auf 80 zu 100. Doch schon 1970, vorm Pillenknick, lag er fast genauso hoch wie für 2030 befürchtet und das bei einer sehr viel niedrigeren Produktivität . Als eine Zeit erdrückender Soziallasten sind diese Jahre nicht in Erinnerung. Auch bis 2030 wird die Produktivität weiter stark ansteigen .
Entscheidendes Motiv hinter der Kaskade von Rentenkürzungen seit der deutschen Einheit war ohnehin nicht die Demografie, sondern die Entlastung der Arbeitgeber. Gebetsmühlenartig wurde verkündet, der hohen Soziallasten wegen sei der Industriestandort Deutschland bedroht. Doch unser Exportüberschuss ist nach dem Rot-Chinas der höchste der Welt. Und nur in drei Ländern der EU sind die Rentenbeiträge der Arbeitgeber noch niedriger als bei uns. Das sind Zypern, Slowenien und Luxemburg. ( Das berichtet immerhin das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft!)
Nicht einmal die quasi-amtlichen demografischen Grundannahmen hinter den Horrorprognosen sind solide. Mit durchschnittlich 1,4 Geburten pro Frauenleben wird kalkuliert. Doch viele Frauen haben nicht, wie vermutet, auf Geburten verzichtet, sondern diese auf spätere Lebensjahre verschoben. Deshalb rechnet das Max-Planck-Institut für Demografie mit mindestens 1,6 Geburten pro Frau und folglich mit künftig deutlich mehr Menschen im Arbeitsalter als bisher erwartet. Dennoch halten die großen Parteien an der beschlossenen Absenkung der Eckrenten auf nur noch 43 Prozent vom ((Brutto-))Lohn fest. (( Das ist eines der niedrigsten Rentenniveaus in Europa.)) Doch jener Eckrentner, der volle 45 Jahre im Beruf gestanden hat, ist eine aussterbende Spezies. Und so werden die realen Renten weit niedriger noch ausfallen. ((Schon mit einem Lohn von 2500 € wird jemand nach 35 Arbeitsjahren zum Sozialhilfefall.)) Deshalb – im Fazit – nun die schlechte Nachricht: Zwar droht uns aus demografischen Gründen keine Rentenkatastrophe. Doch man kann millionenfache Altersarmut politisch produzieren. Und genau das geschieht.
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