Staat verlangt per Gesetz sittenwidrige Wucherzinsen
Autor: Stefan Welzk
Redaktion: Tamara Tischendorf
Wer kaum hat, dem wird genommen. Und je weniger er hat, desto mehr. Es geht um die Krankenversicherungsbeiträge von kleinen Selbständigen und sonstigen Verarmten vormals Unversicherten. Es geht um staatlich verordneten Wucher, um ein sittenwidriges Gesetz. Ein Kommentar von Stefan Welzk:
BEITRAG
„GANZ DEUTSCHLAND WIRD KRANKENVERSICHERT!“. Riesengroß plakatierte das die Bundesregierung vor vier Jahren. Damals waren rund 200.000 Menschen ohne Krankenversicherungsschutz, viele von ihnen, weil sie sich das nicht leisten konnten oder zu können glaubten, kleine Laden- oder Kioskbesitzer, Zeitungsausträger, selbständige Schreibkräfte, Hausmeister und Handwerker am Existenzminimum, Menschen, die sich halt irgendwie durchwursteln. Sie wurden verpflichtet, zum April 2007 eine Krankenversicherung abzuschließen. Mindestbeitrag um die 300 Euro, auf Antrag bei Armutsnachweis noch immer rund 220 Euro. Wer sich drückt, wer weiter wie bisher auf seine Gesundheit und Gott vertraut, der muss später die Beiträge ab April 2007 nachzahlen. Wer sich dagegen aus dieser Schar oft ziemlich abgehärmter Existenzgründer fügsam versichert hat, wie es das neue Gesetz verlangt, und irgendwann das Geld nicht zusammenbekommt für ein paar Monatsbeiträge, der muss die nicht nur nachzahlen, sondern er wird dreifach bestraft. Zum ersten wird ihm für diese Zeit nur noch akute Notfallbehandlung gewährt. Zum zweiten wird er schlechtestenfalls auf den Höchstbeitrag von über 600 € gesetzt, bis er sein genaues Einkommen nachweist. Und zum dritten muss er auf seinen Beitragsrückstand Zinsen zahlen, wie sie in der freien Wirtschaft kein Gericht tolerieren würde. Denn diese unfreiwillig „freiwillig“ Versicherten haben den Krankenkassen bei Verzug, Zitat aus dem Gesetzestext, „für jeden angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von fünf von Hundert des rückständigen … Beitrages zu zahlen. “ Fünf Prozent pro Monat. Im Klartext: Wer zum Beispiel auch nur einen einzigen Monatsbeitrag von 300 Euro vier Monate verspätet entrichtet, der muss schon ein Bußgeld 60 Euro blechen – das sind 20 Prozent. So steht es seit vier Jahren im ( vierten ) Sozialgesetzbuch (§24). Aufs ganze Jahr gesehen, macht das einen Zinssatz von 60 Prozent. Soviel verlangt kaum ein Kredithai hierzulande. ((Selbst die Finanzämter fordern bei Säumnis nur ein Zehntel dieses Zinssatzes.)) Wer gar mit drei Monatsbeiträgen im Verzug bleibt, und das drei Jahre lang, der hat eine zusätzliche Schuldenlast von rund anderthalb tausend Euro am Hals und kommt kaum wieder auf einen grünen Zweig. Auf Anfrage schrieb uns der Chef einer AOK: „Ja, das ist Wucher, aber wir sind vom Gesetz gezwungen, dieses Geld einzuziehen.“ Und mündlich fügte er dann hinzu: „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele solche Fälle wir haben.“
Ein sittenwidriges Gesetz gehört nach Karlsruhe vor den Kadi. Doch von den Betroffenen hat noch keiner geklagt. Die haben dafür meist nicht Geld noch Atem. Gewiss soll sich niemand um seinen Krankenkassenbeitrag drücken können, um dann im Notfall die Gemeinschaft für ihn löhnen zu lassen. Doch zum ersten muss dieser Beitrag in einem fairen Verhältnis zum Einkommen stehen. Und zum zweiten dürfen Zinsen für verspätete Zahlungen nicht in nackten Wucher umschlagen. Ist es wirklich sinnvoll, ehemalige Ich-AGs und andere Existenzgründer am Existenzminimum mit Wucherzinsen zu ruinieren und sie damit dem Millionen-Pool der Hartz-4-Bedürftigen zuzutreiben?
(( Wann endlich wird dieser schikanöse Nonsens des Gesetzgebers vom Bundestag korrigiert? ))
Ronny Schumacher meint
Bin im Winter 2011/12 abeitslos geworden(Winterpause). Leider hatte ich noch keinen Anspruch auf ALG1. Zudem verdient meine Lebenspartnerin ca. 1200€ Weshalb ich auch keinen Anspruch auf ALG2 hatte.
Ich musste mich also freiwillig bei der AOK versichern. Beitrag von 147,64€ im Monat.
Da ich so gut wie kein Einkommen über den Winter hatte konnte ich auch leider die Beiträge nicht bezahlen. Man kann sich vorstellen was 60% Zinsen mit der Schuld machen.
Find ich ne Sauerei und absolut Ilegal!
Aber mit dem kleinen Man kann mans ja machen.
norbert b. meint
4454,22 € Grundschuld + 13253,35 € Säumniszuschlag!
Als Selbstständiger war ich aufgrund eines Unfalls dazu gezwungen, Geld für einen Ersatzmann aufzutreiben. Meine Bank verweigerte mir nicht nur die Ausweitung meines Dispos – nein sie kürzte diesen sogar. Man gab mir zu verstehen, dass ich Ausgaben einsparen solle und dies tat ich auch. Unter anderem habe ich meinen Krankenkassenbeitrag von 184 € monatlich nicht bezahlt, da ich sie ohnehin nie in Anspruch genommen habe und die Krankenkasse kündigte mir daraufhin den Vertrag. Laut Kündigungsfrist war ich allerdings noch verpflichtet, 1,5 Monate zusätzlich zu entrichten. Während der Kündigungsfrist erhielt ich jedoch ein Schreiben von der AOK, wonach ich erneut Angaben zu meiner Verdiensthöhe machen sollte. Dies habe ich nicht beachtet, weil ich ja bereits gekündigt war. Die AOK hat meine fehlende Mitwirkung dazu veranlasst, mich auf den Höchstbetrag für Selbstständige einzustufen. Nun sollte ich für den gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist von 2,5 Monaten, 678 € monatlich bezahlen – also insgesamt 1695 €. Als ich dies bemerkte, bat ich die AOK um eine erneute Überprüfung und wedelte sogar mit der rechtmäßigen Summe – ich war also definitiv zahlungswillig. Die AOK lehnte jedoch ab und sagte mir: „Nö, das steht uns jetzt zu und der Gesetzgeber hindert uns auch nicht daran, diese Schuld so stehen zu lassen. Konnte ich nicht glauben und klagte deshalb beim Landessozialgericht. Die AOK bekam tatsächlich Recht und mit Gerichtskosten hatten sie nun einen Anspruch von ca. 2200 €. Daraufhin folgten etlich Kontopfändungen bei mir und ich konnte meine Selbstständigkeit nichtmehr aufrecht erhalten.
Nun sah ich mich gezwungen, ALG II zu beantragen und musste dabei feststellen, dass ich nur Anspruch auf Leistung habe, wenn ich auch krankenversichert bin. Jetzt musste ich zurück zur AOK und dann wurde es echt wild. Die AOK wollte mich nur dann wieder versichern, wenn ich ihnen die Beiträge für die Zeit in der ich nicht versichert war, RÜCKWIRKEND zugestehe – also nochmal über 2000 € Schulden hinzufüge. Ich war ja genötigt, ansonsten hätte ich ja nichts von der A-Agentur bekommen. Aber es geht noch weiter! Nun hatte ich eine Gesamtschuld von ca. 4500 € und die AOK verlangte einen monatlichen Zinssatz von 5%. Richtig – MONATLICH!
Jetzt, da ich wieder im festen Arbeitsverhältnis bin, stürzt sich die AOK wieder auf mich, schreibt meinen Arbeitgeber an und droht ihm Strafe an, wenn er mein Gehalt an mich auszahlt. Mittlerweile soll ich nun also insgesamt 18022,57 € + 5% monatlich bezahlen und die AOK beruft sich auf staatliche Vorgaben. Was läuft da zwischen Staat und AOK, wenn aus einer Grundschuld von knapp 500 €, in nur 4 Jahren, eine Schuld von über 18000€ entstehen kann, und dies ohne dass die AOK eine Gegenleistung in der Zeit erbracht hat?
Wenn das so weitergeht, dann habe ich in nur 10 Jahren einen Schuldenbetrag von 1,152 Mio, den die AOK verlangen kann. Basierend auf einem Grundbetrag von knapp 500 €, den ich ja zu zahlen bereit war. Hat da der Gestzgeber nicht richtig nachgedacht oder hat das Ruinieren System?
Norbert Foeckeler meint
Ich werde Klage wegen Wucher einreichen und warte auf das
Schreiben des Staatsanwaltes, der das Verfahren wegen mangelndem öffentlichen Interesses einstellen möchte.
… kann man uns noch töter töten?
Tote können auferstehen mit Solidarität und Gottes Hilfe
gegen schreiende Ungerechtigkeit.
n.f.
paul eisen meint
interessanterweise ist genug geld da, um die
jahrhundertealte finanzmafia, bekannt fuer ihre zinseszins-geschaefte den nimmersatten
rachen vollzustopfen.
Marco Hannemann meint
Hallo Herr Foeckeler, mich interessiert doch sehr wie der Staatsanwalt in Ihrem Fall weiter verfährt
Müssen wir denn erst wieder Montagsdemonstrationen einführen um uns Gehör zu verschaffen?
albin groll meint
Die dreckschweine gehören an die Wand gestellt
ulrike h. meint
Sehr geehrter Herr Welzk
Ich bin 2010 von jetzt auf gleich mittellos geworden ,habe die AKO gekündigt weil ich diese nicht mehr bezahlen konnte. Schulden habe ich nun seit dieser Zeit ca. 24,000 Euro Eine Krankenversicherungskarte habe ich bis heute nicht erhalten, die Krankenkasse wechseln geht auch nicht!
wenn dieses Gesetz wirklich sittenwidrig ist und das Unternehmen AKO sich nur an den Beiträgen bereichern will, dann sollten sich doch alle Betroffenen zusammen tun und Klage einreichen!! Einer allein wird da wohl nichts ausrichten können ! Wie müsste man da vorgehen? Macht es sinn dagegen vor zugehen? Ich bin schon so weit das ich …… den Gedanken führ ich besser nicht weiter aus !!!
mfg Ulrike