Von wem wird Deutschland künftig regiert? Bestimmt das der Wähler oder der Zufall? Oder die Absurdität eines antiquierten Wahlrechtes?
Die Stärke einer Partei im Parlament soll ihrem Anteil an den Wählerstimmen entsprechen. Dabei wird die Hälfte der Abgeordneten bekanntlich direkt gewählt. Wer in seinem Wahlkreis mehr Erststimmen bekommt als jeder Konkurrent, der hat seinen Platz im Bundestag gesichert. Das gilt auch dann, wenn sein Stimmanteil weit unter 50 Prozent liegt. So schickt die sächsische CDU derzeit vier Abgeordnete mehr nach Berlin, als ihr nach ihrem Anteil an den Zweitstimmen zusteht. Zu solchen Überhangmandaten kam es früher nur selten. Von 1965 bis zur Wiedervereinigung waren es insgesamt vier. Doch seitdem explodiert ihre Zahl. Allein 2009 waren es 24, allesamt zugunsten der Union. Zugleich kann das vertrackte System der Verrechnung zwischen Überhangmandaten und Plätzen auf Landeslisten dazu führen, dass eine Partei mit wachsender Stimmenzahl weniger Sitze im Bundestag bekommt und mit weniger Stimmen mehr – so geschehen in Sachsen und in Bremen. Der Wähler weiß folglich nicht, ob er einer Partei mit seiner Stimme nutzt oder schadet.
Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht das aktuelle Wahlgesetz für verfassungswidrig erklärt und eine Reform binnen drei Jahren verlangt. Diese Frist ist im Juni vorbei. Bis dahin muss ein neues Wahlrecht her. Und das kann sich jetzt Schwarz-Gelb allein nach gusto zurechtschneidern. Denn der Bundesrat hat dabei nichts zu melden.
Die anderen Parteien sind empört über das, was aus der Koalition dazu bekannt geworden ist. Beseitigt wird zwar das eher seltene Paradoxon, dass ein Wähler seiner Partei mit seiner Stimme schaden kann. Doch das gravierende Problem einer Verfälschung von Wahlen durch Überhangmandate – das bleibt unangetastet. Und es wird sich künftig verstärken: Unser Wahlrecht hat gut funktioniert, solange es zwei etwa gleich starke Volksparteien gab. Das ist vorbei. In den Neuen Ländern liegt bisher die CDU oft vor SPD und Linkspartei, doch dabei meist weit unter 50 Prozent. Das beschert ihr dort Überhangmandate zuhauf. Jetzt sind zudem im Westen oft Grüne und SPD nicht weit auseinander, beide bei 20 Prozent plus X. Dadurch kann die Union schon mit einem Wahlresultat um die 30 Prozent die meisten Direktmandate kassieren. Um die 50 Überhangmandate sind bei diesem Wahlrecht im nächsten Bundestag nicht unwahrscheinlich. Sie dürften die Kanzlerschaft entscheiden.
Doch mit dem Grundgesetz ist das nicht vereinbar. Das verlangt freie, geheime und gleiche Wahlen. Jede Stimme muss gleich viel Gewicht haben. Dieses Prinzip ist eklatant verletzt. Schon bei der letzten Wahl brauchte die Union nur 61 000 Stimmen für einen Sitz im Bundestag. Bei den anderen Parteien waren es 68 000. Ohne eine Korrektur des Wahlrechts dürfte sich diese Diskrepanz verdoppeln. Schon 1997 hatte Karlsruhe vom Gesetzgeber verlangt, dafür zu sorgen, dass sich die Zahl der Überhangmandate in Grenzen hält. Wird dieses Gebot jetzt missachtet? Versucht Schwarz-Gelb um des Machterhalts willen ein Wahlrecht abzusichern, das Versucht Schwarz-Gelb um des Machterhalts willen ein (veraltetes) Wahlrecht abzusichern, das mittlerweilen der demokratischen Fairness Hohn spricht?
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