Populismus – was ist das? Eine hochgefährliche Verdummungsstrategie zur Durchsetzung von Machtambitionen? Ein Vorgaukeln politischer Patentrezepte? Ein Kampfbegriff, ein Schlagwort zum Abwatschen des jeweiligen Gegners? Eine Ideologie oder eine Methode der Selbstvermarktung und eine Herrschaftstechnik? In der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin wurde versucht, Klarheit in die diffuse Debatte zu bringen. Auf dem Podium saßen Hannes Svoboda aus Österreich, Vizepräsident der Sozis im Europa-Parlament, und Werner Perger von der „Zeit“.
„Antworten der sozialen Demokratie auf die populistische Herausforderung“ – das war versprochen. Denn Bewegungen, die von den tradierten Parteien gemieden, ja oft unter Quarantäne gestellt werden, erfreuen sich europaweit eines kräftigen Zulaufes. Dazu gehören der Vlamse Belang in Belgien, die Front National Le Pens in Frankreich und die Partei Jörg Haiders, der sich sturzbesoffen zu Tode gerast hat. In Deutschland wird die Linkspartei gern als populistisch abqualifiziert.
Rasch war man sich einig über Kernelemente des Populismus wie die aggressive Abgrenzung gegen „die da oben“, gegen ein vorgeblich volksfernes und korruptes Establishment, eine proklamierte Volksnähe und radikaldemokratische Attitüde, die Aversion gegen Fremde, gegen Immigranten, gegen Andere eben, und oft auch die Starrolle einer charismatischen Person. Zielgruppe seien Arme, Arbeitslose und „Modernisierungsverlierer“. Doch oft wird fast jede Kritik am Establishment und am Staatshandeln als populistisch abgekanzelt – so unlängst noch die Empörung über unverfrorene Manager-Gehälter und jetzt die Bedenken gegenüber den Milliarden zur Rettung ruinierter Banken.
Hinter der Angst vor Populismus steht freilich die echte Krise der Volksparteien wie der Mitgliederschwund bei den Sozialdemokraten und ihr Verlust an „Volksnähe“. Zitiert wurde Heinrich Rau mit der Mahnung, die SPD solle wieder mehr zu einer „Kümmerer-Partei“ werden. Einst gingen ja die Kassierer der Beiträge von Haustür zu Haustür, fragten dabei auch nach Wohl und Wehe und bemühten sich, wo es Not tat, um Abhilfe. Mit einem solchen Herangehen ist auch die Hamas in Palästina stark geworden und in Mecklenburg ist das heute die Methode der NPD. Die Junta-artige Weise dagegen, wie die Hartz-Reformen durchgedrückt und Kritiker mit einem „Basta“ des Kanzlers plattgemacht worden sind, das musste zur Entfremdung von der Stammwählerschaft führen – so das Urteil von Werner Perger auf diesem Forum.
Als blind und populistisch wurde vor kurzem noch jeder Vorbehalt gegen die entfesselten Weltmärkte abgetan. „Wenn Ihr glaubt, wir könnten Politik gegen die Finanzmärkte machen, so irrt Ihr Euch“ – so dereinst Außenminister Joschka Fischer. Jetzt steht genau das auf der Agenda ganz oben.
Im Hinblick auf Antworten freilich fiel der Abend eher dürftig aus. Mit der Besetzung der Themen hätten Populisten oft recht. Themenentzug sei deshalb das stärkste Gegenmittel. Doch verlangt ist damit ja nicht weniger als die Lösung des Problems, so eben die Bewältigung der Arbeitslosigkeit oder die soziale Domestizierung der Globalisierung. Das klingt so wohlfeil wie hilflos.
Bis hin zum Mindestlohn wird heute fast jede Idee, die einer machtvollen Klientel ungelegen kommt, als „populistisch“ diffamiert. Der Begriff verschwimmt zu diffuser Beliebigkeit. Hier eben ist Präzisierung geboten:
Ein „Populist“ propagiert Lösungen, von denen er weiß, dass diese nicht funktionieren oder eben nur unter Inkaufnahme von unvertretbaren Kosten und Opfern – Beispiele sind da etwa die Halbierung der Beiträge nach Brüssel, der Austritt aus der Europäischen Union oder – wie jetzt in Ungarn gegen die Zigeuner – die Stimmungsmache gegen Minderheiten als Sündenböcke. Den klaren, überzeugenden Nachweis eben, dass eine verlangte populäre Lösung nicht und niemals funktionieren kann und somit eben populistisch ist , den muss Aufklärung leisten. Die Hoffnung auf „Themenentzug“ durch Bewältigung des Problems etwa der Arbeitslosigkeit oder der Staatsverschuldung, die bleibt gefordert. Doch gerade weil man da mit nur dürftigen Erfolgen dasteht, sind die heute bedrohlichen Populismen ja überhaupt erst aufgekommen.
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