Stefan Welzk 16.3.9
(WDR Hörfunk, Politikum, 16.3.09)
Man reibt sich die Augen. Wie Dominosteine kippen binnen Tagen berüchtigte Steueroasen. Sie geloben, ihr Bankgeheimnis zu lüften, erst Singapur und Hongkong, dann Andorra und Liechtenstein, tags drauf die Schweiz, Luxemburg und Österreich und jetzt sogar Monaco. Eile war in der Tat geboten. Andernfalls wären diese Staaten am Sonnabend von den G 20, der Gemeinschaft der wichtigsten Wirtschaftsnationen, auf eine Schwarze Liste platziert worden und die ist mit schmerzhaften Sanktionen bewehrt. (Aber) warum geraten diese Schmarotzerstaaten erst jetzt unter wirksamen Druck?
Schon vor Jahren hat die Europäische Kommission abgeschätzt, dass unfairer Steuerwettbewerb für ein Drittel der Arbeitslosigkeit in der Gemeinschaft verantwortlich ist. Denn bei leeren Kassen kann kein Staat Straßen und Schulen bauen und ein vernünftiges Bildungssystem bezahlen. Doch begleitet von starken Worten des Abscheus und der Empörung hat unser politisches Topmanagement den Oasenspuk mit einem seltsamen Willen zur Ohnmacht seit langem hingenommen und diese Passivität mit Scheinaktivitäten getarnt. Schließlich war man in manchem Golfclub ohne Schwarzgeldkonto in Vaduz oder Monte Carlo gar nicht mehr `“ín“. Und wer will schon eine hochvermögende Klientel seines Wahlkreises brutal vor den Kopf stoßen?
Dabei sind die Zumwinkels und ähnliche Straftäter nur des Eisbergs winzige Spitze. Fast jeder Konzern und fast jede Bank von Belang mischt mit im Oasengeschäft. Eine firmeneigene Finanz-AG in der Karibik, die ihre Anleihen ganz offiziell auch in Deutschland verkauft, gehörte schon in den 80ern zur Grundausstattung der namhaften Konzerne.)Von manchen Global Playern wird nahezu der gesamte Gewinn ihres deutschen Konzernteils trickreich am Fiskus vorbei in die Karibik oder sonst wohin kanalisiert, als Zinsen, Leasing-, Versicherungs-, Patent- und Lizenzgebühren oder sonst wie. Allein auf der Insel Jersey im Ärmelkanal drängen sich 32 000 Firmen. Ihr Sitz besteht meist nur aus einer Hängemappe im Büro eines Anwalts.
Die deutschen Banken haben sich unter anderem mit den Kaiman-Inseln angefreundet. Ihre Tochterfirmen verfügen allein in dieser winzigen Kronkolonie über ein Kapital von rund 200 Milliarden Euro. Dort kennt man keinerlei Steuern welcher Art auch immer. Dabei ruht das Geld selbstredend nicht in den Oasen; sonst könnte es ja keinen Gewinn machen. Nur für die Dauer einer logischen Sekunde weilt es daselbst und wird fortan dort formalrechtlich verwaltet.
Doch das Einlenken, das Bankgeheimnis zu lüften, ist nur ein erster winziger Schritt in die richtige Richtung. Und er mildert nur einige der großen Bedrohungen und Probleme, die von diesen Steuerflucht-Gebieten ausgehen. Denn die Oasen haben sich zu Stützpfeilern eines von aller Aufsicht entfesselten Weltfinanz-Systems ausgewuchert, das genau deshalb extrem labil und störanfällig geworden ist. Hier nistet das Gros der Hedgefonds und der „Schattenbanken“, jener unkontrollierten Bankentöchter eben, die mit hochriskanten und undurchschaubar konstruierten Schuldenpapieren die Märkte überschwemmt und die akute Banken- und Wirtschaftskrise verursacht haben. Dabei haben Bundesregierung und Bundestag vor fünf Jahren das Treiben deutscher Schattenbanken in den Oasen mit einem „Gesetz zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung“ eigens und sehenden Auges stimuliert und steuerlich lukrativ gemacht. Es ist keineswegs nur die Steuerflucht, sondern weit stärker noch dieses Defizit an Aufsicht und Regulierbarkeit, das den Regierungen jetzt auf den Nägeln brennt. Diese Informations- und Machtlosigkeit der Politik gibt der Krise ihre erstaunliche Kraft und lässt die teuren Rettungsaktionen zum Teil ins Leere laufen. Denn weil die Banken voneinander nicht wissen, was sie in den Oasen an Schulden und faulen Forderungen am Hals haben, leihen sie sich gegenseitig kaum noch Geld.
Und noch immer wollen Europas Oasenstaaten nur im Einzelfall Informationen herausrücken, nur unter engen Bedingungen, nur aufgrund eines konkreten Verdachtes und der müsse gut dokumentiert sein. Dazu freilich muss der deutsche Fiskus überhaupt erst einmal wissen, dass da jemand ein Oasenkonto hat. Und es müssen Doppelbesteuerungsabkommen mit den Oasen ausgehandelt und ratifiziert werden und das kann dauern. Von einer Rasterfahndung nach Oasenkonten, wie sie die USA gegenüber der Schweiz jetzt durchgesetzt hat, bleibt man Lichtjahre entfernt. Dergleichen hat schon der konservative Flügel der Christdemokraten zu verhindern gewusst.
Für das deutsche „Handelsblatt“ freilich ist Liechtenstein noch immer nur eine „vermeintliche Steueroase“. Gesunder Steuerwettbewerb werde als bösartige Einladung zur Steuerhinterziehung verteufelt. Doch vorsorglich rät das Blatt schon mal, Schwarzgeld in Kapitallebensversicherungen zu retten. Und es informiert seine Leser, dass sich der Fiskus selbst bei Verdacht und bei Vorliegen einer CD die Zähne ausbeißt, wenn man allen Schriftverkehr vernichtet hat.
Das Hase- und Igelrennen zwischen wirtschaftskrimineller Phantasie und Fiskus ist noch lange nicht entschieden.
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